Effi Briest
Normalerweise versuche ich meine Rezensionen etwas distanziert zu verfassen, sodass es weniger um mein persönliches Leseerlebnis, sondern um das Buch selbst geht und wem es gefallen könnte. Eben so, dass es bei der Entscheidung, ob man das Werk lesen möchte, weiterhilft. Bei „Effi Briest“ aber will mir das nicht gelingen, denn dieses Buch macht mich einfach nur wütend.
Damit meine ich nicht, dass es unfassbar schlecht war, sondern dass ich keinerlei Objektivität für ein ordentliches Review aufbauen kann, weil mich der Text ordentlich aufwühlt. Das hat mehrere Gründe.
Die Sprache #
„Effi Briest“ ist Realismus, soviel wusste selbst ich, bevor ich mit dem Buch angefangen habe. Ein distanzierter Erzähler beschreibt eine Geschichte mit allen relevanten Details und authentischen gesellschaftlichen Konstellationen. Es geht um Menschen, um wie sie sprechen und was sie tun, und eine Story, die den Boden der Tatsachen nicht verlässt.
Theodor Fontane ist mit seinem Werk wohl hoch angesehen, wichtig für die Entwicklung des Gesellschaftsromans, aber unglaublich nervig. Zum einen empfinde ich seinen Stil als inhomogen; der Anfang ist unglaublich hypotaktisch, findet zwischendurch eine nüchterne Eleganz, ist sonst aber weder bemerkenswert klar noch ästhetisch. Mag sein, dass es darum im Realismus nicht geht, aber es geht so weit, dass ich manche Stellen eher überflogen als gelesen habe, weil Unwesentliches zu viel Raum eingenommen hat. Dann aber versucht Fontane, mit zu wenigen Worten zu viel zu sagen, entwickelt einen Subtext, der bei mir nicht ankommt, womöglich weil es mir an kulturellem oder sprachlichem Kontext fehlt.
Sekundärliteratur zu „Effi Briest“ versucht mir zwar zu vermitteln, wie toll seine Symbole und Motive sind, für den Lesegenuss ist er mir aber zu inkonsistent. Vermutlich weiß ich die Sprachqualität von Fontane nicht zu schätzen, weil ich keine Analyse will, sondern ein gutes Buch. Theodor Fontane ist heute eben nur begrenzt als Unterhaltungsliteratur geeignet.
Charaktere & Personen #
In „Effi Briest“ geht es vor allem um Effi und ihre frühe Heirat, was das mit ihr macht, wie sie sich fühlt und wie das gesellschaftliche Umfeld auf dieses und jenes reagiert. Die Beziehungen und Persönlichkeiten sind ein integraler Bestandteil der Geschichte, und sie konnten mich nicht überzeugen. Die Charakterisierung lässt insgesamt zu wünschen übrig; mehr oder weniger alles muss man sich über den zweifelhaften Subtext aneignen. Effi bekommt noch die meiste Zeit, aber das Bild von ihrem Mann Gert Innstetten bleibt bis zum Ende diffus, sein angeblicher Ehrgeiz wird immer erwähnt, aber wir erfahren nie, was er eigentlich macht.
Schlimmer als die fehlende Charakterisierung ist für mich die zweifelhafte Authentizität. Natürlich weiß ich nicht, wie die Gefühle und Gedanken einer junger erwachsenen Dame des 19. Jahrhunderts aussehen, aber ich wäre mir nicht so sicher, ob Theodor Fontane bedeutend bessere Einblicke hat. Ich traue ihm selbstverständlich zu, dass er die damalige Gesellschaft gut kennt, wie mit Frauen umgegangen wird, welche Probleme auf sie zukommen und wie das Umfeld reagiert, aber das heißt nicht, dass er die Welt im Inneren der Frauen versteht. Effi kommt mir im Buch sehr nervenschwach und ängstlich vor, etwas, das natürlich durchaus sein könnte, aber gefährlich nahe an Klischees liegt. Ich glaube nicht, dass mir eine starke aufmüpfige Effi besser gefallen hätte, aber eine authentisch ängstliche Frau wäre mir auf jeden Fall lieber gewesen.
Dieser letzte Punkt macht mich traurig, weil ich mir wünsche, das Buch wäre von einer Frau geschrieben worden, die vielleicht bessere Einblicke in die Gefühlswelt von Effi hätte geben können. Dann denke ich daran, dass das Buch alt ist und Frauen damals zu wenig Möglichkeiten hatten, um sich literarisch zu verewigen, wie Fontane es getan hat. Es ist ironisch, dass Fontane die Gesellschaft anprangert und dabei selbst ein Teil vom Problem ist.
Plot #
Am meisten hat mich aber die Geschichte selbst aufgewühlt. Eine Frau wird viel zu jung verheiratet, von ihrem mehr als doppelt so altem Ehemann vernachlässigt und flüchtet sich in eine oberflächige, ungewollte Liebschaft mit einem anderen Mann. Jahre später fliegt es auf und es kommt zur Scheidung. So weit, so gut, aber die vielen Details machen mich fertig. Zum Beispiel sagt Innstetten Effi nie, dass er sich von ihr trennen möchte, und spricht nie mit ihr über ihre Affäre. Stattdessen schickt er ihren Eltern (!) einen Brief, indem er die Scheidung ankündigt. Effis Eltern nehmen Effi selbstverständlich nicht wieder auf, weil das ihrem Ruf schaden würde, sondern distanzieren sich öffentlich von ihr und schicken ihr Geld, damit sie ihr Leben in einer kleinen Wohnung in Berlin fristen kann. Selbstverständlich bleibt die Tochter (ach ja, übrigens hat Effi eine Tochter) beim Vater und überhaupt geht es ziemlich unfair zu.
Fazit #
Der Plot selbst ist frustrierend genug, aber die sprachlichen Inkonsistenzen und unauthentischen Charaktere machen es nicht besser. Theodor Fontane wird der Geschichte einfach nicht gerecht und das bei einem so wichtigen Thema. Und das alles lässt mich einfach nur enttäuscht und wütend zurück.